Reisebericht

Eine Reise durch Neuseeland - Die Südinsel

Lachtränen und etwas Melancholie

Nach zwei Verlängerungen unserer sechswöchigen Reise über die Südinsel von Neuseeland sitze ich wehmütig und mit ein paar Tränchen in den Augen im Flieger Richtung Hawaii - das mich mit all seinen schillernden Versprechungen und Lockrufen momentan nicht über den Abschied von diesem unbeschreiblichen Land und einigen besonders herzlichen, tief das Herz berührenden Begegnungen hinweg trösten kann. Noch einmal zieht im Geiste die Südinsel unter mir vorbei: die riesigen Schneeflächen des Mount Cook Massivs, die engen Schluchten der Fjorde, urwaldbedeckte Hänge, das untergegangene Land der Marlborough Sounds. Ein Stück von mir bleibt hier zurück. 

 

Das Gefühl beim Abschiednehmen erinnert mich daran, wie man als Teenager mit einem jungen, hungrigen und wilden Herzen zur ersten Reise ohne die spießigen Eltern in die weite Welt aufbrach und nach einem warmen, elektrisch knisternd aufgeladenen Sommer, noch den intensiven Geschmack von Abenteuer und Freiheit im Mund und einem bunten Bouquet voller aufgeblühter Gefühle und unvergesslicher Erinnerungen im Gepäck, mit wehmütiger Sehnsucht eine Urlaubsliebe zurücklassen musste und sich ein baldiges Wiedersehen versprach. Das natürlich nie stattgefunden hat :)
Diesmal ist es die Liebe zu einem Land und einigen darin lebenden Menschen. Doch es ist kein Abschied für immer. So viel wissen wir bereits jetzt mit Gewissheit. Unvorstellbar, nicht zurück zu kehren nach Neuseeland, um 
fortzusetzen, was wir hier begonnen haben.

Wer hat an der Uhr gedreht?

Unsere Reise beginnt in Christchurch auf der Südinsel. Ganz „in Ruhe“ wollen wir in vier Wochen mit einem Campervan die Insel abfahren, ein bisschen Radfahren, ein paar Trekkingtouren unternehmen und im Anschluss noch zwei weitere Wochen auf der Nordinsel verbringen. Wie naiv wir doch waren. Alle 50 bis 100 km bleiben wir berührt, beeindruckt und teilweise mit einem wunderbaren Gefühl der Demut vor dieser landschaftlich kulissenartigen Schönheit, der Weite, Stille und Einsamkeit stehen - meistens verweilen wir vor Ort gleich für zwei, drei oder vier Tage, um intensiv in die Umgebung einzutauchen. Nach vier Wochen sind wir erstaunlicherweise nicht weit gekommen. Nur knapp die Hälfte der Südinsel haben wir uns weitgehend erschlossen und dabei doch noch so viele Dinge nicht kennen gelernt, gesehen und erlebt.

 

Wir verlängern den Campervan um die zwei Wochen, die wir ursprünglich auf der Nordinsel verbringen wollten. Wir können uns noch nicht trennen, sind noch nicht bereit loszulassen und etwas Neues zu erleben. Auch die zusätzlichen zwei Wochen vergehen wie im Flug. Wir haben trotz des sehr gemächlichen Voranschleichens in unserem geliebten, rollenden Schneckenhaus das Gefühl, dass alles Erlebte und Gesehende nur ein Appetizer und ein klitzekleiner Ausschnitt dessen ist, was es an Möglichkeiten und Sehenswertem gibt. Denn die Südinsel wird mit jedem gefahrenen Kilometer dramatischer.

 

Geplant war nach der ersten Verlängerung am 2. März in Auckland anzukommen und am 3. März, an Michaels 49. Geburtstag, mit dem Flugzeug über die Datumsgrenze hinweg nach Hawaii zu fliegen. Dort wären wir - um einen für uns "gewonnenen" Tag zurückgeworfen - wieder am 2. März angekommen und hätten ein zweites Mal in sein Wiegenfest hinein gefeiert. "Hach, Nur ein paar Tage mehr auf der Südinsel Neuseelands und wir hätten von allem was wir sehen wollten wenigstens einen soliden ersten Eindruck gewonnen" sprechen wir uns hochmotiviert zu, verlängern Neuseeland ein weiteres Mal und verlegen unseren Flug nach Hawaii auf den 5. März. Dabei macht uns der Umstand, dass Hawaii trotz aller Bemühungen restlos ausgebucht zu sein scheint und wir für die ersten Tage keine Unterkunft finden, die Entscheidung leichter. 

 

Nun sollten wir doch wirklich ausreichend Zeit auf diesem Klecks Erde verbracht haben...?!

 Ah was, Pustekuchen! Auch nach den zusätzlich gewonnenen Tagen blutet uns das Herz durch das Wissen um alles, wofür die Zeit nicht reicht. Am Ende fehlen uns 310 km, um den Kreis der Rundreise zu schließen, die wir nun - nach 3.200 bereits gefahrenen Kilometern - von Blenheim nach Christchurch an einem Vormittag durchfahren müssen, um den Flieger am Nachmittag rechtzeitig zu erwischen. Allein an diesem vergleichsweise kurzen Küstenabschnitt zwischen Blenheim und Christchurch hätten wir am liebsten noch eine weitere Woche verweilt. So winken wir den Walen und Delphinen vor der Küste Kaikouras im Vorbeifahren zu. Auch der dreitägige  „Kaikoura Coast Track“ soll atemberaubend sein. Unterwegs kann man rustikal und wildromantisch mit dem Schlafsack im Stroh auf Schaffarmen übernachten. Aber es muss auch noch Träume geben für „nächstes Mal!“.

Wandern wir noch oder traumwandeln wir schon?

Aber was ist es, das den Zauber von Neuseeland ausmacht? In diesem Land, das auf den ersten Blick so wenig "Eigenes" von sich zeigt, und in dem sich zugleich scheinbar all das uns bereits Bekannte paart, was die Glücksmoleküle zum Tanzen bringt. Neuseeland liegt zu weit südlich, um Südseegefühle aufkommen zu lassen. Doch bis zur Antarktis ist es auch noch ein ganzes Stück, und so ist es für Südpolempfindungen nicht kühl genug. Trotzdem, es gibt Polynesier und Pinguine.
Irland und eine Prise Norwegen, aber auch ein großer Anteil, der landschaftlich an die Schweiz erinnert, sowie eine Messerspitze Österreich, ein bisschen England, Island, die USA und sogar etwas von den Bergregenwäldern Costa Ricas mischt sich ein auf diesem geographisch isolierten Inselstaat im südlichen Pazifik.

 

Und dann gibt es ein paar Akzente in diesem gut durchgemischten Potpourri, die es gänzlich unvergleichbar machen: Am gleichen Tag können wir mittags die salzverkrusteten, sonnengetrockneten Handtücher zusammenfalten und am Nachmittag einen Ausflug ins ewige Eis auf einen der Gletscher unternehmen. Weiße Wolken überfließen die blauen Bergketten wie ausgegossene Milch. Die Seen sind turkisfarbener, die Flüsse klarer und transparenter, der Himmel in einem unvergleichlich leuchtendem Blau, die Sterne näher und glänzender, die Natur unberührter, grüner und urwüchsiger, das Meer tiefer, wilder und geheimnisvoller, die kargen Felsformationen surrealer. Hier und da steht ein zunächst deplaziert erscheinendes palmenartiges und windgebeugtes Gewächs auf einer der unzähligen, sich in sanften Hügeln in die Unendlichkeit bis zum zarten Federstrich des Horizont verlaufenden grünen Weiden, auf denen weiße Schafe die Landschaft punktieren.


Immer wieder zieht es uns in das leuchtende Grün des Dschungels. Dieses satte Grün lockt, als gäbe es da drinnen ein Geheimnis zu entdecken. Dichte, haushohe Farne geben dem angrenzenden Wald ein urzeitliches Aussehen, als stünde er schon seit Millionen von Jahren hier. Über den darin stehenden, tief und knorzig verwurzelten hölzernen Urgetümen breitet sich eine märchenartig wirkende, grüne Moosschicht wie ein weicher Teppich aus, die auch vor den großen, runden und glattgeschliffenen Steinen im vorbei rauschenden kühlen und glasklaren Flusslauf keinen Halt macht. Aus der Ferne leuchten die Strahlen eines Wasserfalls im Grün, das herab zu fließen scheint, überall sprießt und klettert die Vegetation. Wandern wir noch oder wandeln wir schon im Zauberwald?


Es gibt unzählige unberührte goldbraun schimmernde Küstenabschnitte, deren Einsamkeit und kühles Nass wir zur Belohnung nach stunden- bzw tagelangen Wanderungen nur zu zweit genießen. Sechs Orcas liefern uns überraschend vor der Küste des Abel Tasman Nationalparks eine Privatvorstellung: in eleganten Schwüngen fliegen sie über die Wellen und tragen ihre wunderschöne kontrastreiche schwarz-weisse Färbung zur Schau, während sie nach Stachelrochen jagen. 

Gedanken-verloren...

Die Vielfalt an Reizen auf alle Sinnesorgane ist in Neuseeland groß. Trotzdem kann der Geist sich durch die Weite und Einsamkeit gleichzeitig herrlich ausdehnen und zur Ruhe kommen. Sich durch Neuseeland zu bewegen, kommt einer Meditation gleich. Obwohl wir uns oft genüsslich den schweisstreibenden und adrenalingeschwängerten körperlichen Ertüchtigungen hingeben, um abgelegende Gipfel und Küstenabschitte zu erreichen, entstehen vornehmlich während einer mehrtägigen Wanderung, aber auch beim Mountainbiken oder einem Ausflug mit dem Kajak jene Momente, in denen alle Sinne zur Ruhe kommen und man sich selbst vergisst. Eine innerliche Rast, während das "Ich" sich auflöst in der Kulisse aus Meeresrauschen, Vogelgezwitscher, Grillengezirpe, dem Duft des erdigen Waldbodens und dem Wind zwischen den wogenden Ähren. Wie betrunken von der Schönheit der Natur, komme ich nur langsam wieder zur Besinnung und an die Oberfläche des Bewusstseins zurück. Eine Wanderung durch Neuseeland kann auch den Weg zu sich selbst zeigen.

 

Oftmals haben sich widerum gerade beim Laufen und Radeln über lange Distanzen hinweg bisher die schönsten Gedankenflüsse, Ideen und Visionen entwickelt. Für deren Auslegung und Diskussion haben wir ausreichend Zeit. Teilweise wandern wir sieben bis neun Stunden am Tag. Drei der „Great Walks“ haben wir ausprobiert: den viertägigen „“Milford Track“ zum Milford Sound, zwei Tage lang den „Coastal Walk“ an der Küste des Abel Tasman Nationalparks sowie den dreitägigen „Queen Charlotte Track“ in den Marlborough Sounds. 

The Milford Track

Die Seen-, Gebirgs- und Fjordlandschaft im südlichen Teil der Südinsel ist sicherlich landschaftlich ein Highlight unserer gesamten Reise durch Neuseeland. Hier sind wir - wie die weißen Wolken zwischen den Bergen - den größten Teil unserer Reise wahrhaft hängen geblieben. Ein visuell orgiastisches Paradies. Bepackt mit schweren Rucksäcken, die gefüllt sind mit Proviant, Schlafsäcken und Wechselkleidung, laufen wir hier den viertägigen Milford-Track von Hütte zu Hütte.

 

Wie so oft während unserer Weltreise verfolgt uns der Regen. Wir starten an einem Tag unter stahlblauem Himmel, von dem die Sonne lacht, laufen den nächsten Tag im Nebel und die darauf folgenden zwei Tage im Regen. Diesmal vertöstet man uns mit den Worten: „Der Milford Track würde sich erst bei Regen von seiner schönsten Seite zeigen“. Und so ist es in gewisser Hinsicht auch: unzählige Wasserfälle stürzen sich nach den Regenschauern sinnflutartig und gewaltig zwischen üppigen Wäldern von den Bergen über steile Schluchten ins Tal hinab. Der Regen macht uns nach unserer anfänglichen Enttäuschung am Ende nichts mehr aus. Er macht diesen „Walk“ auf eigene Art und Weise zu etwas Besonderem. Wir müssen uns die Kilometer mehr erkämpfen, können den warmen Tee in den Schutzhütten mehr geniessen und freuen uns abends wie Schneekönige auf unsere schlichte Reismahlzeit vom lieben Uncle Ben im Wasserbad und auf die harten Stockbetten im Gemeinschaftsschlafsaal.

 

Ich kann trotzdem nicht besonders gut einschlafen. 40 scheintote Wanderer schnarchen, röcheln, schnaufen und husten in einer unheimlichen Kakophonie in der stockfinsteren Nacht um die Wette. Ein Uhu ruft in die Dunkelheit hinein. Plötzlich reisst die Wolkenschicht für einen Moment lang auf und gibt den Blick durch das Fenster auf den Mond frei, der die Landschaft in ein silbriges Licht taucht. Manche wandeln auf der Suche nach einer Toilette oder durch die senile Bettflucht getrieben mehrmals in der Nacht über den knarzenden Holzboden, andere wälzen sich schlaflos in den Laken oder wühlen in ihren Taschen nach einer Taschenlampe und einem Buch, das ihnen den Schlaf bringen soll. Dreimal übernachten wir in solchen Hütten.

 

Am zweiten Tag - und nach der geteilten Intimität der ersten Nacht - (er)kennt man sich und kommt langsam ins Gespräch mit anderen Wegesgenossen. Wanderer, so scheint es uns, sind ein eigenes Völkchen. Selten begegnen wir ihnen unterwegs in Gruppen. Die meisten wandern verschroben schweigend alleine für sich vor sich her und sind an Kommunikation nicht besonders interessiert. Das ändert sich schlagartig abends auf der Hütte, nachdem einer nach dem anderen mit schweren Beinen und einem fröhlichen Strahlen im Gesicht eingelaufen ist und damit in einem kollektiv verbundenen Gefühl einen weiteren Teil der Wanderung bewältigt hat. Euphorisch teilt man Müsliriegel, Äpfel und Geschichten.

 

Pro Tag darf nur eine begrenzte Anzahl Wanderer am Ausgangspunkt starten, da die drei Hütten, die auf die Gesamtlänge der viertägigen Wanderung verteilt sind, nur Platz für je 40 Personen bieten. Die Hütten sind oft monatelang im Voraus ausgebucht. Viele Reisende planen diesen "Great Walk" mit der Vorlaufzeit eines Jahres oder länger und sichern sich beim "Department of Conservation" rechtzeitig die begehrten Schlafplätze in den Hütten, um einmal im Leben durch den wunderschönen Fiordland National Park bis zum Milford Sound zu wandern. Kein Strom, kein Handynetz, kein Internet, kein warmes Wasser - nicht einmal eine Dusche. Wir waschen uns in eiskalten Flüssen oder unter einer mit Wasser gefüllten 1,5 Liter Plastikflasche, die wir tagsüber zum Trinken benutzen. Warum tut man das? Eine komische Frage! Dann könnte man auch fragen: „Warum lebt man?“

Overnight Cruise durch den Doubtful Sound

Im Anschluss an den "Great Walk" unternehmen wir eine Overnight Cruise durch den Doubtful Sound. Dieser liegt weit abseits der Zivilisation in "the middle of nowhere". Wir müssen zunächst den Lake Manapouri mit der Fähre überqueren und dann nochmal eineinhalb Stunden mit einem Shuttle-Bus fahren, bevor wir das Schiff besteigen. Der Fjord ist vom Festland aus nicht zu erreichen. Auch der Bus, der nun eine Verbindung zwischen dem See und dem Doubtful Sound schafft, musste über den Seeweg mit der Fähre hergebracht werden. Sonst gibt es nichts - außer Natur!

 

Zwei Tage und eine Nacht werden wir auf dem nostalgisch wirkenden Segelschiff (mit zusätzlichem Motorantrieb) verbringen. Neugierige Delfine begleiten unser Schiff, Seelöwen aalen sich auf den letzten von Wind und Wasser glatt geschliffenen Felsen, die den Sound vom offenen Meer trennen. Ich greife zur Kamera und muss entsetzt feststellen, dass die SD Karte im Laptop zurück geblieben ist, der im Wohnmobil liegt. Nun, dann gönne ich mir eben zwei Tage lang Urlaub. Wir werden mit Kajaks zu Wasser gelassen, um die Umgebung in den tiefen Schluchten auf dem klaren, glatten, blauen Wasser zu erkunden. Die Stimmung auf dem Schiff ist ausgelassen und entspannt. Alle Gäste werden scheinbar einig von der gleichen Liebe zum Reisen und zur Natur angetrieben und finden schnell den Zugang zueinander. Wir tauschen heitere Reisegeschichten bis spät in die Nacht aus - und am Ende auch einige Adressen, um in Kontakt zu bleiben und uns mit zwei besonders netten Paaren in San Francisco und Ecuador auf ein Wiedersehen zu verabreden.

 

Am zweiten Tag erreichen wir den "Sound of Silence". Der Motor wird abgestellt, die Gäste um Ruhe gebeten. Nachdem auch das letzte Plätschern und Flüstern verklungen ist, hören wir - Nichts! Nur die endlose Weite, und die erhabene Schönheit der majestätisch anmutenden Natur um uns herum. Es ist schwer zu beschreiben, wie die Unendlichkeit und die Ewigkeit klingt. Aber man kann es hören - und fühlen. Die Stille in dem Sound verschluckt uns alle für einen langen Moment außerhalb von Zeit und Raum. Die Rückfahrt genießt nun jeder, berührt vom voran gegangenen Erlebnis, schweigend und in sich gekehrt.

Don't dream about it. Do it.

Als wir in Te Anau wieder festen Boden unter den Füßen haben, reiht sich gleich das nächste Event in die Kette der unvergesslichen Erlebnisse ein.

Wir drehen in diesem Part von Neuseeland zugegebenermaßen maßlos durch und unternehmen mit der Manie eines Adrenalinjunkies eine abgedrehte Aktion nach der anderen. Und wir scheinen nicht allein zu sein mit diesem durchgeknallten Gefühl, der Natur durch freigesprengte Endorphine so nah wie möglich sein zu wollen. Es scheint sich um eine Lokalanästhesie zu handeln. Die Vernunft ist ausgeschaltet und das Leben vibriert in den Adern, wie bei einer Achterbahnfahrt.

 

In Queenstown angekommen, wimmelt es wie in einem Kaulquappen-Tümpel an Adventure-Freaks jeglicher Herkunft und jeglichen Alters, die kollektiv einer scheinbar endlos langen Liste an Aktivitäten nachgehen: Skydiving, Paragliding, Heli-Hiking, Heli-Ice-Climbing, Bungee-Jumping, Ice-Hiking und Sport-Fishing, Speedboot-Touren, Kajakfahrten und Wildwater-Rafting, Abseiling von Wasserfällen, Mountainbike-Downhills, tagelange Wander- und Hüttentouren, Horseriding, Segeln, Kitesurfing, Schnorcheln und Tauchen... um nur einen Ausschnitt der verwirrenden Vielfalt aufzuzählen. Das Angebot ist unbegrenzt.

 

Aber das magische Zauberwort für uns, das wir wie Ka, die Schlange aus dem Dschungelbuch, ins Visier gefasst haben, heißt Heli-Biking. Nachdem uns ein Flyer in die Hände gefallen ist und wir uns auf Youtube ein paar Videos von Spinnern angeschaut haben, die sich mit samt ihren Rädern von einem Helikopter auf dem Gipfel eines Zwei- oder Dreitausenders absetzen lassen, um sich dann über schmale Singletrails in die Tiefe zu stürzen, ist uns klar geworden: das müssen wir auch einmal machen! Und einmal heißt nicht irgendwann, sondern jetzt! 

Heli-Biking in Wanaka

Knatternd nähern sich die zwei Helikopter, bevor sie auf einer abgelegenen Schaffarm landen. Routiniert werden die drei Downhillbikes vertäut, unser Guide und wir eingeladen und schon heben wir ab. Der Flug ist schon an sich ein Erlebnis mit einem 360° Panoramablick über die Bergketten der Pisa Region. Auf einem der Gipfel landen wir auf 6500 feet (2200 Meter) neben dem letzten Restschnee und einem kleinen See im Wind der Propellermaschinen. Wenige Minuten später beginnt die Abfahrt. Zunächst auf dem sich sanft neigenden Hochplateau und dann am Kamm entlang hinab ins Tal. Yeah! 1,5 Stunden lang nichts als Fun & gute Laune - so wurde es uns versprochen. 

 

Doch es sollte anders kommen: Sechs Stunden brauchen wir, bis wir wieder unten sind. Uns stehen mehr Abfahrten in unbekannte Täler bevor, als uns lieb ist. Denn zwischendurch müssen wir ungeplant einige ordentliche Anstiege in Angriff nehmen oder in unübersichtlichen Talschluchten orientierungslos in der brütenden Sonne zwischen Ginsterbüschen und Dornenwald nach dem richtigen Weg suchen. Leider müssen wir uns einige Täler und eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Höhenmetern auch via „Hike & Bike“ wieder hinaufkämpfen. Denn unser freundlicher, aber unerfahrener Guide findet den Weg nicht auf Anhieb, da er die Tour erst zum zweiten Mal fährt, das letzte Mal zu Ostern 2012. Er findet ihn gar nicht. 

 

Das Wasser ist uns nach zwei Stunden längst ausgegangen, da wir nur mit einer entspannten, kurzweiligen Abfahrt gerechnet haben. Langsam stellen sich die ersten Anzeichen eines Hitzeschlags ein, der Kopf pocht dumpft, der Mund ist trocken, die Kräfte lassen nach. Weit und breit kein Anzeichen auf Zivilisation oder den richtigen Weg, der uns wieder zu einer Straße führen könnte. Wir teilen uns im Schatten eines Gestrüpps die liebevoll angebotenen letzten Tropfen abgestandenes, aufgewärmtes und nach Gummi schmeckendes Wasser aus dem Trinkschlauch der unhygienischen Trinkblase unseres Guides. Er lehnt sich nach einigen gestammelten Entschuldigungen - die wir ihm der Harmonie der Stimmung zuliebe mit schweißverkrusteter Stirn und am Gaumen klebender Zunge wohlwollend abnehmen - sogar humorvoll ein bisschen aus dem Fenster heraus und erzählt uns, wie viele Leute jährlich in den Bergen verloren gehen, weil sie sich nicht auskennen, nicht entsprechend ausgerüstet sind und kein GPS-Ortungsgerät dabei haben.

 

Grmpf. Die haben einem überteuerten Veranstalter aber sicherlich auch kein kleines Vermögen für die Organsisation einer solchen Tour in den Rachen geschmissen, um dann am Hang eines staubtrockenen Berges in der brütenden Sonne zu verdursten. Ich denke an den Naturalisten aus Malaysia, der uns erklärte, wie man im Überlebenstraining aus bestimmten Pflanzen Wasser gewinnen und trinken kann. Leider gibt es in dem unübersichtlichen hügeligen Zwischental, in das wir uns gerade verfahren haben, nur vertrocknetes, äußerst robustes und wiederspenstiges Gestrüpp und dichten dornigen Wald. Ich muss aus aufkeimender Verzweiflung irgendwann hysterisch auflachen über diese völlig absurde Situation, als unser Guide - mit seiner neonfarbenen Biker-Montur ganz auf souveränen Profi getrimmt - sich und sein Rad wie eine Spinne im Netz im dichten Dickicht des Dornenwald verstrickt, keinen Zentimeter mehr vorwärts bzw. rückwärts kommt und hilflos fluchend herumfuchtelt, während mir bereits etwas Blut von den aufgekratzten Beinen und Michael von den Händen läuft, mit denen er die mannshohen, dichten Dornbüsche zur Seite schiebt, um voran zu kommen.

 

Fazit: Downhillfahrten abseits der befestigten Wege führen nicht immer zurück ins gewünschte Tal und schon gar nicht in den Himmel. Die Gute Nachricht: wir entdecken in der Ferne einen kleinen verschlungenen Pfad. Die schlechte Nachricht: dieser liegt 400 Höhenmeter überhalb unseres jetzigen Standpunktes und wir müssen unsere Räder den Berg ächzend wieder hinauf schieben und tragen. Es ist so steil und steinig, dass an Fahren nicht zu denken ist. Tatsächlich führt der Pfad uns auf einen Weg und dieser gibt irgendwann auch den Blick auf eine Strasse frei, die leider auf der verkehrten Seite des Berges liegt. Um zurück zu unserem Jeep zu kommen, der auf der Schaffarm auf uns wartet, müssen wir über diese Straße also auch noch  um den Berg herum fahren.

 

Egal. Ich bin trotzdem ein bisschen glücklich, weil es ein Abenteuer ist, das überstanden zu sein scheint und fange an, bei der hoffentlich letzten Abfahrt von kühlem, durstlöschenden Wasser und knusprig gebratenen Hähnchen in einem imaginären Pub am Fuße des Berges zu träumen. Das kostet mich leider meine letzte Konzentration und unterzieht die Gladiatorenausrüsung einem Belastungstest: ich fliege kopfüber ein paar Meter über das Lenkrad, nachdem ich während der Fahrt im Reflex die Vorderradbremse betätigt habe, die in Neuseeland auf der rechten, anstatt wie in Deutschland auf der linken Seite des Lenkers montiert wird. Das fügt mir einige blaue Flecken und Schürfwunden zu, aber ich spüre kaum Schmerzen und kichere dämlich und etwas peinlich berührt über diesen ungewollten Stunt. Hitze, Anstrengung und Durst haben mich scheinbar bereits debil gemacht.

 

Trotzdem sitzen wir am Ende des Tages - ohne den Guide - erleichtert und noch etwas fassungslos tatsächlich in einem Pub und lachen Tränen über dieses Erlebnis, das noch einmaliger war, als wir es uns hätten träumen können.

 

Direkt am nächsten Tag fühlen wir uns mutig dazu berufen bei einem weiteren Veranstalter auszutesten, ob eine Heli-Hiking-Tour auf dem Fox-Glacier vergleichsweise besser organisiert abläuft. So schnell lassen wir uns den Spaß nicht verderben und wollen schließlich auch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Und siehe da: "Wow! Das war spitze!" - Na, geht doch!

Ein herzlicher Abschluss unserer Reise in Blenheim

Anlässlich Michaels Geburtstag fahren wir über das Wochenende nach Blenheim in die Vineyards in der Marlborough Region, um am 3. März eine Gourmet- & Weintour zu unternehmen. Wir bekommen einen Einblick hinter die Kulissen von vier renommierten Weingütern, lernen in praktischer Anwendung, wie wir selbst einen Blend aus Sauvignon Blanc nach unseren individuellen Geschmacksvorlieben herstellen, bekommen ein köstliches 3-Gang Menü inkl. Weinpairing serviert, verköstigen unzählige Rot- und Weißweine sowie Champagner und besuchen am Ende der Tour noch die Schokoladenfabrik, inklusive einem äußerst sündhaften Tasting.

 

Den Camper lassen wir für drei Tage in der Garage stehen und übernachten etwas komfortabler in der landschaftlich wunderschön eingebetteten Antria Boutique Lodge. Die Zufahrt zu dem weitläufigen Grundstück wird von riesigen Olivenbäumen gesäumt. Auf der Wiese stehen blühende Apfel- und Pflaumenbäume mit reifen Früchten, die zum Naschen einladen. Kräuter und Wildblumen erinnern an die Toskana. Die zwei munteren, kleinen Schweinchen, zwei Schafe, ein Hund und eine Katze, die ebenfalls zum Inventar gehören, haben wir schnell ins Herz geschlossen.

 

Das Highlight sind jedoch die beiden herzlichen und Gastgeber Kathryne and Phil, die sich persönlich um das Wohl ihrer Gäste kümmern und uns rührend jeden Wunsch von den Augen ablesen. Die beiden haben sich auf die Fahne geschrieben, ihr Glück weiter zu geben, das ihnen durch die Freundlichkeit anderer Menschen auf ihren vielen Reisen widerfahren ist. Es gibt selbstgebackenes Brot & Kuchen, hausgemachte Marmelade und Salami (von den Vorgängern der zwei Schweinchen, die nun friedlich im Gefrierfach ruhen), handgeschöpfte Pralinen und frisch gepflückte Blumen im Zimmer. Alle Weine und Speisen gehen aufs Haus, das gehöre zum Konzept dazu, wie uns Kathryne mit leuchtenden Augen erklärt. "Leider werden wir so wohl nie zu Geld kommen," kommentiert der Hausherr, Phil, mit einem Lächeln. Die nächste Nacht, in der wir in unseren verwaisten Camper zurückkehren wollen, wird uns zu einem symbolischen Preis geschenkt. Hauptsache wir müssen uns nicht trennen. Im selbst zusammengebastelten Kamin-Bollerwägelchen wird am Abend auf der Terrasse ein wärmendes Feuer entfacht. Bei heiteren Gesprächen, einem Glas Wein in der Hand und dem Blick auf den klaren Sternhimmel sitzen wir zusammen mit unseren Gastgebern und zwei weiteren sympathischen Gästen bis in die tiefe Nacht hinein vor dem flackernden Schein. Wir tanzen in der Dunkelheit zu leiser Musik barfüßig sogar noch ein paar Runden Rumba und Tango über die Wiese.

 

Am Ende verabschieden wir uns nach einer viel zu kurzen, aber intensiven Zeit mit Tränen in den Augen und versprechen unseren neuen Freunden ein baldiges Wiedersehen - in Frankfurt oder in Blenheim. Ein wunderschöner Abschluss unserer Neuseelandreise. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Britta (Donnerstag, 07 März 2013 18:42)

    Wow! Cool!
    Bis bald!

  • #2

    pa (Freitag, 08 März 2013 05:45)

    Ich kann eure grossartigen Eindruecke voll und ganz bestaetigen: So habe ich es auch erlebt - durch Deinen so eindringlichen, anschaulichen Bericht!!! :-)

  • #3

    Tante Renate (Samstag, 09 März 2013 03:35)

    Was ein erlebnis, bin froh das Dir nichts passiert ist bei dem flug vom Rad :)