Die Insel Sansibar

Erste Eindrücke und Erkenntnisse

Am 12. Februar sind wir auf der Insel Sansibar gelandet, die vor der Küste von Tansania liegt. Wolken und Regen haben sich trotz schlimmster Prognosen nach dem ersten gewittrigen und regennassen Tag endlich weitgehend verzogen und uns werden stattdessen Sonnenschein, blauer Himmel und leuchtende Farben beschert, abgesehen von kleinen, kräftigen Regengüssen zwischendurch. Hier werden wir die nächsten sieben Tage verbringen - fünf davon am Strand und zwei in Stone Town.


Bereits am zweiten Tag haben wir am Strand das erste Mal Kontakt mit den Kindern des Dorfes, in welches die Anlage sehr offen integriert wurde. Die meisten Mitarbeiter der Lodge kommen direkt aus dem kleinen, angrenzenden Ort. Ein Junge, der sich von seinen Kameraden löst und neben mir her läuft, fragt mich neugierig, ob ich "Pens" für die Schule für sie dabei hätte. Begeistert darüber, dass unsere aus Frankfurt extra für diesen Zweck impotierten Schreibgeräte und Schulblöcke hier erste glückliche Abnehmer finden würden, rufe ich ihnen zu, sie sollten sich fünf Minuten gedulden, ich würde nur schnell ein paar "Pens & Paper" aus dem Zimmer hollen. Mit Bedacht wähle ich Kulis, Hefte und bunte Wachsmalstifte aus dem Koffer aus, mit denen man auch schön auf Steine malen kann. Langsam laufen wir wieder zum Strand zurück, um die kleinen Gaben zu verteilen, während ich noch überlege, wie ich den Kids den Nutzen der bunten Stifte zeigen könnte... vielleicht, indem ich mit den Wachsmalstiften ein paar Skizzen und Muster auf Papier und Steine male, während die Kleinen in Ruhe zuschauen? Ich werde eines Besseren belehrt. Wir werden erwartet von einer kleinen Meute, die inzwischen von drei auf ca. 10 Kinder angewachsen ist. Mein Vorhaben hatte sich schnell herumgesprochen. Kaum bin ich in Sichtweite, stürmt die Meute auf mich zu. Ich habe nicht den Hauch einer Chance, mein wohldurchdachtes Konzept auch nur ansatzweise umzustetzen. Ich werde fast bei lebendigen Leib zerrissen, so groß ist die Konkurrenz um die Stifte und Blöcke. Innerhalb von etwa drei Sekunden werden mir kreischend und zerrend die Hefte aus der Hand und die Stifte aus der Tasche gerissen, die ich immerhin geleert wieder vom Boden auflesen darf. Anscheinend gibt es hier keinen Bedarf an einer Geschenke verteilenden Mutter Theresa mit pädagogischer Profilneurose. Darauf hat man hier nicht gewartet. Es geht um die existentiellen, grundlegenden Dinge der Bedürfnispyramide. Hier hört die Freundschaft für einen Moment auf, möge der Stärkere gewinnen. Ich bin ein bisschen verdattert. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Den restlichen Vorrat an Stiften und Blöcken geben wir auf Mafia Island dann wohl besser direkt in einer Schule ab, wo ein Lehrer sie etwas geordneter verteilen kann.


Die Bewohner auf Zansibar sind bettelarm. Der Großteil der hier lebenden Bevölkerung ist streng muslimisch. Die Frauen zeigen sich, sofern man sie in der Männer dominierenden Gesellschaft überhaupt zu sehen bekommt, nur vollverschleiert. Eine ganz andere Stimmung als auf dem Festland Tansanias. Dies zeigte sich auch auf der Taxifahrt vom Fughafen Sansibars zu unserem Hotel. Extrem ärmliche Hütten und Müll am Straßenrand, die schlaglochübersähte Straße, die sich zum Ende in eine für einen normalen PKW nahezu unpassierbare Buckelpiste verwandelte sowie Straßenkontrollen mit extrem arroganten, uniformierten und mit Schlagstöcken ausgerüsteten Polizisten waren überraschende Realitäten, die nur wenig mit unser Erwartung gemein hatten.  Die Postkartenidylle Sansibars der im Kopf vorherrschenden Bilder exitiert zwar, stellt aber nur eine Parallelwelt dar.


Diese Gegensätzlichkeit wird uns umso bewusster, als wir am vorletzten Tag mit Foum -  einem lustigen und lieben Kerl, der in der Lodge im Restaurant arbeitet - dem Dorf, in dem er lebt, einen Besuch abstatten. Bis zu 15 Personen leben in den zerfallenen Steinhäuschen auf dem blanken Boden, der aus Erde, Sand und Steinen besteht. Es gibt keine Möbel: kein Bett, kein Regal, kein Stuhl, keinen Tisch. In einem dusteren Bereich des Häuschens stehen ein Blechtopf und wenige Schüsseln neben einer Feuerstelle auf dem Boden - die "Kitchen-Area". In einem anderen, unüberdachten Raum steht ein Eimer mit Wasser. Das sei der Bathroom. Gegenüber zeigt Foum uns das Fundament eines Hauses. Hier würde er gerade ein Haus für seine Schwester und ihre Kinder bauen, damit sie der Enge entfliehen können. Der Bau streckt sich in der Regel über mehrere Jahre. Wir gehen weiter Richtung Schule. Die Besitzer der zwei kleinen Lodges, die an das Dorf angrenzen, haben den Bau der Schule vor einigen Jahren mit Spenden unterstützt. Sie macht im Vergleich zu den übrigen Hütten und Häusern einen sehr gepflegten Eindruck.

 

Die Kinder des Dorfes werden auf uns aufmerksam und rasen auf uns zu.

Foum rät uns, keine Süßigkeiten zu verteilen, sondern frische Früchte zu kaufen. So tun wir der lokalen Landwirtschaft gleichzeitig auch noch einen Gefallen. Das Verteilen von Mangos läuft mit dem plötzlich autoritär durchgreifenden Foum an unserer Seite wesentlich geordneter ab, als das Verteilen der Stifte und Hefte auf eigene Faust mit den kleinen Beachboys. Überraschend: wir sehen nun endlich auch die Frauen der Gesellschaft, die wunderschön in schillernde, bunte Tücher gewandet sind. Sie tragen in graziler Haltung Feuerholz oder Gefäße mit Wasser vom Dorfbrunnen auf ihren Köpfen zu den Hütten. Am Ende geraten wir in eine riesige, bunte Hochzeitsgesellschaft hinein. Es wird gesungen, geklatscht, musiziert und getanzt. Wir werden herzlich aufgenommen und zum mittanzen aufgefordert. Das ist eine der schönen Seiten Afrikas: die unerschütterliche Lebensfreude der Menschen! Lachend und tanzend schließen wir unseren Besuch von Matemwe Village ab.